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Wo die Lektorenausbildung boomt

Im pommerschen Kirchenkreis wächst die Bewegung derer, die als Ehrenamtliche Gottesdienste mit Lesepredigt halten wollen – um etwas zu tun gegen die Sonntagsleere in der eigenen Dorfkirche.

Die pommerschen Lektoren, hier bei einer Fachtagung in Weitenhagen
Die pommerschen Lektoren, hier bei einer Fachtagung in Weitenhagen

Die Lektorenausbildung im Pommerschen Kirchenkreis boomt: 2023/24 sind erste 18 Ehrenamtliche ausgebildet worden, weitere 18 besuchen gerade den zweiten Durchlauf, „und für den dritten, der im März 2026 startet und wieder 18 Plätze bietet, gab es schon sieben Anmeldungen, bevor überhaupt der Flyer fertig war“, erzählt Frithjof Nürnberger begeistert. Der 41-Jährige ist seit zwei Jahren der Ehrenamtlichen-Beauftragte im Pommerschen Kirchenkreis und hat die Ausbildung, die es früher schon in ähnlicher Form gab, 2023 neu aufgelegt – zusammen mit den Pastorinnen Uta Voll aus Demmin und Ulrike Weber aus Sassnitz (die KiZ berichtete).
Das Ziel dieser Kurse, die jedes Mal im Haus der Stille in Weitenhagen bei Greifswald laufen: dass die Ehrenamtlichen nachher selbstständig Gottesdienste mit Lesepredigten halten können. „Dass das Interesse an diesem klassischen Angebot so groß sein würde, hätte ich nie gedacht“, sagt Nürnberger, der noch viele weitere Angebote für Ehrenamtliche macht, darunter Kirchenältestentage, digitale Mini-Fortbildungen und Kurse zur Leitungskompetenz.

“Von vielen Pastorinnen und Pastoren wird das Lektorenamt enorm unterstützt”

Die meisten Teilnehmenden der Lektorenkurse sind 40, 50 Jahre alt oder älter, motiviert von dem Wunsch, dass trotz sinkender Pastorenzahl noch Gottesdienste in ihrer Dorfkirche stattfinden mögen: „Manchen ist ganz wichtig, damit ihren Pastor, ihre Pastorin zu entlasten, andere haben vor allem Lust, sich mit dem Format Gottesdienst intensiv auseinander zu setzen“, erzählt Nürnberger. „Von vielen Pastorinnen und Pastoren wird das Lektorenamt enorm unterstützt.“

Liebt es, Talente zu fördern: Frithjof Nürnberger
Liebt es, Talente zu fördern: Frithjof NürnbergerSybille Marx

Viviane Schulz etwa, Pastorin im Gemeindeverbund „Kirche am Sund“, begleite und fördere Lektoren während und nach der Ausbildun hervorragend. Allerdings: „Es gibt auch Kollegen, die sagen, Gottesdienste sind unsere Kernaufgabe, Ehrenamtliche sollten lieber dazu ausgebildet werden, Verwaltungs- und Bauaufgaben zu übernehmen.“

“Natürlich wollen wir Ehrenamtliche auch in Baufragen schulen”

Der Stralsunder Propst Tobias Sarx, mit dem die Ehrenamtlichenförderung abgestimmt ist, sieht hier keinen Gegensatz. „Natürlich wollen wir Ehrenamtliche auch in Baufragen und Verwaltungsangelegenheiten schulen“, sagt er. Dazu gebe es gute Angebote vom Kirchenkreisamt, etwa von Sonja Maier. Aber in der Ehrenamtlichen-Förderung gehe es nicht primär um die Entlastung von Pastoren, sondern um die sinnstiftende Förderung von Talenten. „Mein Kirchenverständnis ist an 1. Kor. 12 angelehnt. Dort entfaltet Paulus den Gedanken, dass es in der Gemeinde viele Gaben gibt, die durch den einen Geist Gottes zusammengefügt werden“, erklärt Sarx. Ehrenamtliche trügen das in die Gemeinschaft ein, wofür sie begabt seien. „Die einen werden Verwaltungsaufgaben übernehmen, weil sie es gut können. Andere sind leitungsbegabt. Dann sollen sie gern Kirchengemeinderats-Sitzungen vorbereiten und strukturieren, zumal, wenn sie die pastorale Person damit entlasten. Und Menschen, die gern Gottesdienste gestalten, möchte ich nicht davon abhalten, das zu tun.“

Die Lektorinnen und Lektoren erproben in Weitenhagen verschiedene Gottesdienstformate
Die Lektorinnen und Lektoren erproben in Weitenhagen verschiedene GottesdienstformateFrithjof Nürnberger

Im Gegenteil: Das sei eine Bereicherung für alle. Denn so blieben sonntags weniger Kirchen leer: „Die Hauptamtlichen können schon lange nicht mehr alle Kirchen mit Gottesdiensten abdecken“, sagt Sarx, schließlich kämen auf 435 Kirchengebäude nur knapp 100 pastorale Personen. Zweitens fänden Pastorinnen und Pastoren dann leichter Vertretung im Urlaubs- oder Krankheitsfall. „Zum Dritten gewinnen Gottesdienste an Qualität, wenn sie auch mal von mehreren vorbereitet und kreativer gestaltet werden als es eine Person allein leisten kann“, findet Sarx. Ehrenamtliche hätten ihren eigenen Zugang zum Thema. „Davon können wir Hauptamtlichen nur profitieren.“

Für ausgebildete Lektoren gibt es jetzt auch einen Fachtag im Jahr

Um den ausgebildeten Lektorinnen und Lektoren weitere Begegnungsorte zu bieten, haben Nürnberger und sein Team gerade einen ersten Fachtag in Weitenhagen veranstaltet – zu dem auch Menschen kamen, die bereits in den 2000er Jahren unter Pastorin Christa Göbel eine Lektorenausbildung gemacht hatten. Künftig soll es einen solchen Fachtag mindestens einmal im Jahr geben.
„Wir merken, dass sich die Lektoren als Gemeinschaft verstehen“, sagt Nürnberger. „Es ist fast eine Bewegung, die da entsteht“: die Bewegung der Gottesdienstliebenden. Die Bewegung derer, die kirchliche Angebote erhalten wollen. In den ersten beiden Kursen hätten sich gleich regionale WhatsApp-Gruppen gegründet. „Einige besuchen sich sogar gegenseitig zu Gottesdiensten, um sich zu unterstützen oder Feedback zu geben“, erzählt er. Aus seiner Sicht ein guter Anfang in einer Kirche, die das Ehrenamt stärken will.

Mehr Infos auf www.kirche-mv.de/pommern/ehrenamt

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