Es könne nicht sein, dass sich junge Menschen, die sich als nicht-heterosexuell identifizieren, in ihren Schulen nicht gesehen fühlen. Deshalb hat sich Max Gebhardt, Lehrer an der Evangelischen Schule in Schönefeld, zum ehrenamtlichen Diversity Schul-Coach ausbilden lassen. Der 32-Jährige ist groß gewachsen, hat Tätowierungen an seinen Unterarmen, wirkt cool und jugendlich. Er erweckt den Eindruck, dass man ihm vieles erzählen kann. Die Idee, Vertrauenslehrer zu werden für Fragen, die man normalerweise nicht stellt, gefiel ihm sofort.
Dass Schüler*innen sich im Bezug auf das Thema sexuelle Vielfalt im Unterricht zu eindimensional informiert fühlen, ist Ergebnis einer Studie der Evangelischen Schulstiftung in der EKBO. Für diese befragte die Boston Consulting Group Neuntklässler*innen. Zu Tage traten dabei zwei Ergebnisse: Zum Einen: 20 Prozent der befragten Schüler*innen wollen sich als nicht heterosexuell festlegen. Zum Anderen wünscht sich ein Großteil der Befragten, Ansprechpartner*innen für dieses Thema, die sie nicht im Unterricht benoten.
Sexuelle Vielfalt soll kein Tabuthema sein
Als Reaktion auf die Studie initiierte die Evangelischen Schulstiftung der EKBO die Ausbildung zum Diversity Schul-Coach, die Expert*innen begleiten. Max Gebhardt und sechs weitere Kolleg*innen trafen sich dafür ein Jahr lang sieben Mal an zwei Tagen des Wochenendes. Da es die Ausbildung so noch nicht gab, sprachen sie zunächst darüber, wie ein Diversity Schul-Coach sein kann. Für Max Gebhardt ist es dabei wichtig, das Thema sexuelle Vielfalt transparent zu machen und zu enttabuisieren. Vor allem aber sollen sich die Schüler*innen wohlfühlen, wenn sie darüber sprechen.
Mit dabei als Referent war auch Thomas Moldenhauer, Leiter der Evangelischen Grundschule in Berlin-Buch. Dass sich das Thema auch an Grundschulen stellt, erlebte der 52-jährige Schulleiter in der Praxis. Ein junger Mensch, der als Junge geboren worden war, identifiziert sich als Mädchen. Um einfühlsam darauf eingehen zu können, gibt es an seiner Schule aktuell eine Erzieherin und zwei weitere Ansprechpersonen für Fragen rund um das Thema Diversity.
Bildungspartner sind dabei immer auch die Eltern. Für Thomas Moldenhauer ist die Persönlichkeitsentwicklung der wichtigste Auftrag für Schulen. Vor allem für Evangelische, weil Jesus alle Menschen liebe. „Denn nur, wenn wir Vielfalt als Gottes Schöpfung erleben, wird es Frieden geben“, dies ist die feste Überzeug des Schulleiters.
Im Bereich der Schulliteratur besteht in den Augen von Gebhardt und Moldenhauer viel Nachholbedarf. Der Schulleiter aus Buch sprach bereits mit der Redaktion eines Verlags über mögliche Bücher, in denen auch gleichgeschlechtliche Paare vorkommen. Doch letztlich kippte die Finanzabteilung des Verlags das Projekt aus Angst vor Umsatzeinbußen. Eine vergebene Chance, so Moldenhauer, denn es ginge nicht darum, auf jeder Seite Regenbogenfamilien zu zeigen, sondern, Vielfalt in einem Maße, das der Realität entspricht. Während der Diversity Schul-Coach Ausbildung erstellten die Beteiligten deswegen eigene Materialien.
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28. Mai: Internationaler Diversity-Tag
Ganz praktisch und für mehr Sichtbarkeit startet die Evangelische Schulstiftung in der EKBO anlässlich des Internationalen Diversity-Tags am 28. Mai eine Plakatkampagne an ihren 19 Grundschulen in Berlin und Brandenburg. Die acht Motive thematisieren in Form von kindgerechten Zeichnungen zum Beispiel die Vielfalt von Familienkonstellationen.
Max Gebhardt ist seit drei Monaten als Diversity Schul-Coach ansprechbar. Aktuell besteht für seine Tätigkeit – und darüber ist er selbst ein wenig verwundert – noch kein Bedarf. In naher Zukunft wird er die Studie mit den Schüler*innen thematisieren. Wichtig ist ihm vor allem, dass das Gesprächsangebot besteht und dass es einen Gesprächspartner gibt. Max Gebhardt ist bereit. Vielfalt soll an seiner Schule nicht Ausnahme, sondern Normalität sein.